Sinnstiftend führen und Motivation steigern

Welchen Sinn hat meine Arbeit?

Sinnstiftend führen und damit die Arbeitsmotivation der Mitarbeitenden zu wahren/heben wird zunehmend zu einer Führungsaufgabe. Das ist eine herausfordernde Aufgabe.

Wenn sich Mitarbeitende von der Unternehmensleitung nicht ausreichend informiert und als Person gewertschätzt fühlen, verlieren sie zunehmend den Glauben an die Sinnhaftigkeit ihres Tuns.

Besonders ausprägt ist dieses Phänomen in den Unternehmen, in denen die Mitarbeitenden, einen Werteverfall bei ihren Arbeitgebern spüren – wie zum Beispiel bei manchen Banken. Sie waren früher ein Sinnbild für ehrenhaftes Verhalten. Heute hingegen stehen dieselben Unternehmen nicht selten gesellschaftlich am Pranger – zum Beispiel, weil sie Kunden systematisch beim Steuerbetrug unterstützten oder solch kriminelle Handlungen begingen, wie den Libor zu manipulieren.

Immaterielle Werte schaffen materielle Werte

Dieser vermeintliche oder reale Werteverfall wirkt auf die Mitarbeiter zurück. Sie fragen sich zunehmend: Was ist der Sinn meiner Arbeit? Kann er ausschließlich darin bestehen, die Vermögen gut betuchter Kunden oder Kapitalgeber zu mehren? Verschafft mir das Befriedigung? Nicht selten lautet die Antwort: nein. Mit der Folge, dass die Mitarbeiter sich weniger mit ihrem Arbeitgeber und dessen Zielen identifizieren. Also sinkt ihr Engagement.

Deshalb sollten sich Unternehmen mit dem Thema sinnstiftend führen, sprich Werte, befassen. Denn die Antworten auf Wertfragen beeinflussen die Unternehmenskultur und somit die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter. Und diese Faktoren wirken sich wiederum auf die Produktivität und somit Rendite aus. Doch können Unternehmen und ihre Führungskräfte im Betriebsalltag überhaupt sinnstiftend führen? Vier Thesen hierzu.

These 1: Das Streben nach Sinn ist in uns Menschen verankert.

Der österreichische Psychiater Viktor Frankl betrachtet das Streben nach Sinn im Leben und Tun als primäre Motivationskraft der Menschen. Frankls Logotherapie basiert auf drei Annahmen.

  • Freiheit des menschlichen Willens: Jeder Mensch hat einen freien Willen und kann seine innere Haltung, zu dem, was in seiner Umwelt geschieht, frei wählen. Diese Annahme fußt auf Frankls Erlebnissen in einem NS-Konzentrationslager, in dem er aller äußeren Freiheiten beraubt war. Was ihm blieb, war seine innere Freiheit, seine Einstellung und Haltung gegenüber den äußeren Gegebenheiten selbst zu wählen – was sein Überleben ermöglichte.
  • Der Sinn im Leben beruht auf dauerhaften Werten und diese kann jedes Individuum finden. Ein sinnvolles Leben erwächst aus sinnvollen Momenten. Solche Momente resultieren unter anderem daraus, dass wir etwas Nützliches für andere Menschen/die Gesellschaft tun. Freude an unseren zwischenmenschlichen Beziehungen haben und/oder in einem Umfeld arbeiten, das wir als sinnstiftend erfahren.
  • Der Wunsch, etwas Sinnvolles zu tun, ist den Menschen angeboren und gründet auf einer universellen Ethik. Nur wenn wir im Einklang mit den Werten handeln, die wir aufgrund unseres Welt- und Selbstbilds als gerecht empfinden, erfahren wir unser Tun als sinnvoll.

These 2: Eine extrinsische Dauermotivation ist sinnlos.

Wenn das Streben nach Sinn, die primäre menschliche Motivationskraft ist, bringt eine Top-down-Motivation der Mitarbeiter wenig. Trotzdem ist sie in den Unternehmen gängige Praxis. Denn viele Führungskräfte haben das Credo verinnerlicht: Ich muss meine Mitarbeiter regelmäßig neu motivieren, damit sie die gewünschte Leistung bringen.

Dahinter steckt die Annahme, dass die Mitarbeiter ihre Arbeit stets als Last empfinden und bei ihnen ein grundsätzliches Motivationsdefizit besteht.

Ohne das Thema „sinnstiftend Führen“ zu beleuchten, entwickeln die Unternehmen immer neue und stets aufwändigere Anreizsysteme, deren Wirkung meist rasch verpufft. Denn solche Systeme beantworten die Sinnfrage nicht.

These 3: Sinnstiftend führen – Führen ohne Sinn ist sinnlos.

Sinnstiftend führen bedeutet stets auch: Menschen mitnehmen und ihnen Orientierung geben – und zwar indem man für sie erfahrbar macht, welchen Beitrag sie zu einem größeren Ganzen leisten. Dieses Bewusstsein geht Mitarbeitern gerade in einem Umfeld, in dem das bisherige Handeln (regelmäßig) auf dem Prüfstand steht, oft verloren. Also taucht die Frage auf: Was soll das Ganze? Finden oder erhalten Mitarbeiter hierauf keine befriedigende Antwort, sinken ihre Motivation und Arbeitsmoral.

Sinnstiftend führen bedeutet die Mitarbeiter miteinzubeziehen. Sie erläutert zum Beispiel bei geplanten Änderungen, den Mitarbeitern abgeleitet vom Unternehmenszweck den Sinnzusammenhang. Das heißt: Sie informiert die Mitarbeiter nicht nur über solche unternehmerischen Ziele wie „Wir wollen Marktführer werden“. Denn dies allein ist nicht sinnstiftend. Sinn entsteht erst, wenn die Mitarbeiter erkennen, inwieweit das Erreichen besagter Ziele einen Beitrag zum Wohl eines größeren Ganzen leistet.

These 4: Menschen wollen „Spuren“ hinterlassen.

Den US-amerikanischen Psychologen Richard M. Ryan und Edward L. Deci zufolge gibt es drei Grundmotive, die zu einer intrinsischen Motivation von Menschen führen, so dass sie Handlungen um ihrer selbst willen ausführen.

  • Autonomie: Menschen wollen etwas eigenständig gestalten. Wenn Mitarbeiter für sie erkennbar einen Beitrag beispielsweise zum Erfolg des Unternehmens leisten können, dann stellt sich bei ihnen das Gefühl von Sinn ein.
  • Selbstwirksamkeit: Menschen möchten, dass das, was sie tun, wahrgenommen wird. Sie wollen eine Rückmeldung ihrer Umwelt – und zwar nicht nur bezogen auf „gut/schlecht“, sondern auch auf den Wert, den ihr Tun für das große Ganze hat.
  • Beziehung: Menschen wollen von den Personen in ihrem Umfeld Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Anerkennung erfahren.

Wenn Führungskräfte bei ihrer Führungsarbeit diese drei Grundbedürfnisse von Mitarbeitern beachten und für sie erfahrbar machen, welche Bedeutung ihr Tun für das große Ganze hat, dann stellt sich bei ihnen das Gefühl von Sinn ein. Also möchten sie ihren Beitrag zum Wohl des Ganzen leisten. Das heißt: Ihre intrinsische Motivation ist angesprungen.

Autor: Uwe Reusche ist einer der beiden Geschäftsführer des ifsm Institut für Sales- und Managementberatung, Urbar bei Koblenz (Tel.: 0261/962 3641; info@ifsm-online.com; www.ifsm-online.com).

Quelle: http://www.hrweb.at/2015/09/sinnstiftend-fuehren-motivation-steigern-sinn-schaffen-als-management-aufgabe/

 

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